
Veröffentlicht am: 10. Februar 2025
Nur allzu oft passiert es, dass die Macht der Gewohnheit unseren Zielen im Wege steht. So vergeht wieder ein weiterer Tag, an dem das Lernen für die Klausur verschoben, oder die Deadline für die nächste Aufgabe um einen weiteren Tag versetzt wurde. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Verlockung der Prokrastination und einer Methodik, die genau diese alltäglichen Gewohnheiten nutzt, um unsere Ziele erreichbar zu machen. Ein Ziel allein ist nämlich nichts weiter als der erste Schritt in die richtige Richtung. Oftmals scheitert es bereits am nächsten Schritt. Ein Ziel zu haben, ist zwar wichtig, doch es reicht nicht aus. Viel entscheidender ist jedoch, welche täglichen Gewohnheiten uns diesem Ziel näherbringen. Denn Erfolg ist nicht das Ergebnis einer einzigen großen Anstrengung, sondern die Summe vieler kleiner Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen.
Wir unterschätzen oft, wie mächtig eine einfache, aber konsequente Routine sein kann. Es sind nicht die intensiven, einmaligen Lernmarathons, die unser Wissen nachhaltig erweitern, sondern die kleinen, regelmäßigen Gewohnheiten. Schon fünf Minuten pro Tag reichen aus, um eine neue Routine zu etablieren – und mit der Zeit entfaltet dieser minimale Aufwand eine erstaunliche Wirkung.
Nehmen wir das Beispiel des Lesens: Wer sich schwer damit tut, regelmäßig zu einem Buch zu greifen, könnte sich vornehmen, jeden Abend nur eine einzige Seite zu lesen. Das klingt zunächst nach einem winzigen, kaum nennenswerten Fortschritt. Doch genau darin liegt der Schlüssel. Denn sobald das Buch erst einmal geöffnet ist, bleibt es selten bei nur einer Seite. Fast unbemerkt wird daraus ein ganzes Kapitel – und irgendwann ist Lesen kein mühsames Vorhaben mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit. Dieses Prinzip lässt sich ausnahmslos auf jedes andere Ziel übertragen. Vom Sport, über das Erlernen eines Musikinstruments bis hin zur gesunden Ernährung.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Wenn wir eine neue Gewohnheit mit einer bereits bestehenden verbinden, steigern wir unsere Erfolgschancen erheblich. Unser Gehirn liebt Routinen – je nahtloser eine neue Handlung in unseren Alltag integriert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie langfristig bestehen bleibt. James Clear beschreibt dieses Prinzip in seinem Buch Atomic Habits [1] sehr treffend mit dem Namen Habit Stacking. Wer beispielsweise direkt nach dem Zähneputzen eine Seite in einem Buch liest, macht das Lesen zu einem festen Bestandteil des Tages. Während der Morgenkaffee durchläuft, lassen sich mit ein paar Kniebeugen Bewegung und Aktivität in den Start des Tages integrieren. Und wer nach dem Abschließen der Wohnungstür bewusst dreimal tief durchatmet, beginnt den Tag mit mehr Gelassenheit.
Eine weitere effektive Methode, um neue Gewohnheiten aufzubauen, beginnt mit unserem unmittelbaren Umfeld – sei es unser Zuhause, der Arbeitsplatz oder der Lernbereich. Die Art und Weise, wie wir unsere Umgebung gestalten, hat einen enormen Einfluss darauf, welche Verhaltensweisen wir unbewusst fördern. Wer zum Beispiel mehr lesen möchte, sollte sein Buch gut sichtbar auf den Nachttisch oder die Couch legen, anstatt es im Regal verschwinden zu lassen. Wer sich vornimmt, mehr Wasser zu trinken, kann eine gefüllte Wasserflasche auf dem Schreibtisch platzieren. Eine gesunde Ernährung wird deutlich einfacher, wenn gesunde Snacks griffbereit sind und produktiveres Arbeiten profitiert von einem aufgeräumten Schreibtisch. Solcherlei Tricks lassen sich übrigens hervorragend auf das Abbauen negativer Gewohnheiten übertragen. Wer zum Beispiel weniger Zeit am Handy verbringen möchte, kann es außer Reichweite legen oder Apps von seinem Startbildschirm entfernen. Wenn der Griff zu ungesunden Snacks zur Gewohnheit geworden ist, hilft es, diese nicht offen in der Küche stehenzulassen. Auch übermäßiger Fernsehkonsum lässt sich reduzieren, indem die Fernbedienung nicht in Sichtweite liegt.
Ein besonders ausgefallenes Beispiel für diese Herangehensweise wurde in einer Episode des Creator Science-Podcasts von Jay Clouse [2] vorgestellt. Dort erklärte der Gast ein System, bei dem er die Passwörter seiner Social-Media-Accounts am Ende jedes Wochenendes automatisch zurücksetzte, sodass er in der kommenden Woche keine Möglichkeit hatte, sich anzumelden. Erst am Freitag, zum Beginn des nächsten Wochenendes, erhielt er die Passwörter der aktuellen Woche.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Rückschläge Teil des Prozesses sind. Kein System ist perfekt, und erst recht kein Mensch. Doch anstatt sich von einem Fehler entmutigen zu lassen, sollten wir diese Momente als Lerngelegenheit betrachten. Rückschläge geben uns die Chance, unsere Strategien anzupassen und mit mehr Selbstbewusstsein wieder auf Kurs zu kommen. Ein Ziel zu erreichen, ist selten ein gerader Weg, sondern vielmehr eine Reihe von Versuchen und Missschlägen. Die Fähigkeit, nach einem Rückschlag wieder aufzustehen und weiterzumachen, ist oft der entscheidende Faktor für langfristigen Erfolg.